Wissen #2: Lean Canvas II

Lean Canvas Teil II - Business Modelling in der Durchführung

In Teil I der Reihe zum Lean Canvas, wird das Tool als eine Art Google Maps für Gründer beschrieben. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auf die Aspekte der Planung eingegangen. Teil II widmet sich nun der Durchführung, also der eigentlichen Navigation.
 

Google Maps für euer Gründungsvorhaben

Nachdem der ideale Weg vom Ausgangspunkt zum anvisierten Zielpunkt gezeichnet wurde, kann die Fahrt beginnen. Der Google Maps-Nutzer setzt sich in sein Fahrzeug und lässt sich entsprechend der Routenführung navigieren. Doch was passiert im Fall eines Staus? Die Streckenführung ändert sich. Google Maps passt seine Routenplanung entsprechend der Verkehrsverhältnisse an, um weiterhin auf der bestmöglichen Route zum Ziel zu kommen.

An dieser Stelle schlagen wir wieder die Brücke zum Lean Canvas. Die zugrunde liegende Philosophie (Lean Startup), hat es sich zum Ziel gemacht, Gründern bei der Navigation in einem Umfeld starker Unsicherheit zu helfen. Um dies zu erreichen, wird der ausgelegte Plan immer wieder angepasst und neu auf das Ziel ausgerichtet, ähnlich einem Navigationsgerät.

Der Nutzen des Lean Canvas (und der zugrunde liegenden Philosophie) im Rahmen einer Gründung, liegt also darin, dass der Mehrwert für die Kunden maximiert und gleichzeitig der Ressourceneinsatz minimiert wird.


Von Annahmen zu validiertem Wissen

Wie Eingangs erwähnt, ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Lean Canvas, alle relevanten Aspekte in kurzer Zeit auf einer Seite zu vereinen. Ein wertvoller Nebeneffekt ist, dass zeitraubende Überplanung vermieden wird. Durch Aufschreiben einfacher Annahmen zu Kundenproblemen und Co., wird ein Einfangen der Intuition des Verantwortlichen erreicht. Diese Intuition ist quasi das Gegenstück zur vehementen und langwierigen Planung, welche nicht per se falsch ist, jedoch oft über ihr Ziel hinausschießt. Aber liegt die intuitive Annahme immer richtig? Wohl kaum. An dieser Stelle wird der Mehrwert des Lean Canvas im Gründungsverlauf sichtbar: Es verhilft zu einer Art Systematisierung der Intuition. Im weiteren Verlauf des Projektes werden die initialen Annahmen zu validiertem Wissen weiterverarbeitet.
 

Kreislauf zur Validierung der Annahmen

Um die angesprochene Validierung zu erreichen, wird jede relevante Annahme, die im Rahmen der Projektplanung getätigt wurde, getestet. Die folgende Abbildung zeigt einen Kreislauf an dessen erster Stelle das Lean Canvas (und seine Annahmen) steht und an zweiter Stelle eine Aufforderung zur Priorisierung.

Die “risikoreichsten” Annahmen sollen zuerst getestet werden. Das sind jene, die in Verbindung mit Kundensegmenten und Problemen stehen. Sind diese unsicher oder gar falsch, steht das ganze Projekt auf sehr wackeligen Füßen. Sukzessive sind die angestrebten Lösungen als am risikoreichsten zu nennen. Die weitere Priorisierung kann nun der entsprechenden Reihenfolge des Lean Canvas entnommen werden (siehe Teil I. Es ist an dieser Stelle nochmals zu erwähnen, dass diese Reihenfolge nicht allgemeingültig ist).

Der dritte Schritt befasst sich mit der Aufstellung eines Experimentes. Hier werden zwei grundlegende Frage-
stellungen aufgegriffen:

  1. Was will ich lernen?

  2. Was habe ich gelernt?

Der Test muss also von Anfang an so gestaltet werden, dass er die zugrunde liegende Annahme abdeckt (1. Was will ich lernen?) und darüber hinaus die Möglichkeiten zur Analyse mittels Kennzahlen bietet (2. Was habe ich gelernt?). Es werden somit zunächst Kriterien zur Bestätigung oder Ablehnung der Annahme geformt. Darüber hinaus werden die wichtigsten Beobachtungen festgehalten und aus den Testergebnissen die nächsten Schritte abgeleitet.

Um Fortschritt zu messen, müssen entsprechende Kennzahlen gefunden und nachgehalten werden. Doch wie sieht eine geeignete Kennzahl aus? Welchen Ansprüchen muss sie genügen? Um diese Fragen zu beantworten soll auf den Unterschied zwischen Schönheits- und Relativen Kennzahlen eingegangen werden.

Schönheits-Kennzahlen zeigen absolute Werte. Sie haben keinen Bezug zur erbrachten Leistung und stellen somit keine gute Grundlage zur Entscheidungsfindung dar. Als Beispiel ist die Kennzahl “Anzahl Neukunden” zu nennen. 500 Neukunden! Diese Zahl allein kann sehr schön wirken. Jedoch sagt sie nichts über die Umstände aus, unter denen sie zustande gekommen ist. Wie viel Zeit wurde veranschlagt? Wie viele Mitarbeiter waren beteiligt? Wie hoch sind die Marketing-Kosten? Es wird klar, dass der Wert alleine nichts über die erbrachte Leistung aussagt und somit schnell irreführend sein kann.

Demgegenüber stehen Relative Kennzahlen. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich hierbei um Zahlen, die mindestens zwei Werte in ein Verhältnis setzen. Um bei dem genannten Beispiel zu bleiben, kann man nun die Anzahl Neukunden um die Anzahl Vertriebsmitarbeiter erweitern. Somit erhalten wir die Anzahl Neukunden pro Mitarbeiter. Dieser Wert kann darüber hinaus z. B. auf eine Zeitspanne bezogen werden, um eventuelle saisonale Effekte sichtbar zu machen. Durch die Relative Kennzahl lässt sich direkt die erbrachte Leistung ablesen.

Nach der Durchführung (Schritt 4), können die Ergebnisse nun im 5. Schritt, auf Basis der zuvor definierten Kennzahlen, analysiert werden.
 

Überführung zurück in das Lean Canvas

Nach erfolgreichem Testen der entsprechenden Annahme, werden die neuen Erkenntnisse (oder die Bestätigung der alten) in das Lean Canvas überführt. Auf diese Weise wird sich sukzessive von einem Kundenproblem zu einer Mehrwert generierenden Lösung vorgearbeitet, welche dokumentiert und reproduzierbar ist.

Ihr könnt jetzt direkt loslegen und euch das Lean Canvas zum Ausfüllen direkt in unserem Download-Bereich bei "Methoden & Tools" herunterladen!
 

 

Veröffentlicht am 28.05.2021
Autor: Marcel Heine